Kirchen begehen am 17. Jänner den "Tag des Judentums"
08.01.202513:30
Österreich/Kirche/Ökumene/Judentum
Gottesdienste und Veranstaltungen in ganz Österreich zeigen Verwurzelung des Christentums im Judentum - Zentraler Gottesdienst des Ökumenischen Rates der Kirchen in Wiener Ruprechtskirche
Wien, 08.01.2025 (KAP) Die Kirchen in Österreich begehen am 17. Jänner den 25. "Tag des Judentums". Das Christentum ist von seinem Selbstverständnis her wesentlich mit dem Judentum verbunden. Damit dies den Christen immer deutlicher bewusst wird, hat der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) im Jahr 2000 den 17. Jänner als eigenen Gedenktag im Kirchenjahr eingeführt. Dabei sollen sich die Christen in besonderer Weise ihrer Wurzeln im Judentum und ihrer Weggemeinschaft mit dem Judentum bewusst werden. Zugleich soll auch das Unrecht an jüdischen Menschen und ihrem Glauben in der Geschichte thematisiert werden. Dies erfolgt im Rahmen von Gottesdiensten und weiteren Gedenk- und Lernveranstaltungen.
Die Initiative zum "Tag des Judentums" geht auf die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung 1997 in Graz zurück. Auch in Italien, Polen und den Niederlanden wird der Tag des Judentums begangen. Das Datum dafür wurde bewusst gewählt: So sollen die Kirchen den Geist dieses Tages in die anschließende weltweite "Gebetswoche für die Einheit der Christen" (18. bis 25. Jänner) weiter tragen; denn bei allen Trennungen der Christenheit untereinander sei allen Kirchen gemeinsam, dass sie im Judentum verwurzelt sind, so die Veranstalter, darunter der "Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit".
Der "Tag des Judentums" wird in ganz Österreich mit verschiedenen Veranstaltungen und Gottesdiensten begangen. Der zentrale Gottesdienst zum "Tag des Judentums", den der ÖRKÖ gemeinsam mit dem Koordinierungsausschuss veranstaltet, findet am 17. Jänner um 18 Uhr in der katholischen Ruprechtskirche in Wien (Ruprechtsplatz 1, 1010 Wien) statt. Mit dabei sind u.a. Kirchenrektor P. Alois Riedlsperger, der ÖRKÖ-Vorsitzende Bischof Tiran Petrosyan, der evangelische Superintendent Matthias Geist, der methodistische Stefan Schröckenfuchs, der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld und die altkatholische Bischöfin Maria Kubin, die die Predigt halten wird. Weiters wirken mit der syrisch-orthodoxe Chorepiskopos Emanuel Aydin, Kanokikos Patrick Curran von der Anglikanischen Kirche, P. Alexander Lapin von der Griechisch-orthodoxen Kirche sowie der Präsident der Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Prof. Martin Jäggle.
Der Gottesdienst steht unter dem aus den Psalmen entnommenen Motto "Du zeigst mir den Weg zum Leben. Dort, wo du bist, gibt es Freude in Fülle; ungetrübtes Glück hält deine Hand ewig bereit." Der Gottesdienst wird auch von Radio Maria übertragen.
Lernen, gedenken, feiern
2019 führte der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit gemeinsam mit Partnern eine Dreiteilung des "Tages des Judentums" ein; auf einen "Tag des Lernens", einen "Tag des Gedenkens" und einen "Tag des Feierns" (am eigentlichen "Tag des Judentums" am 17. Jänner).
Beim "Tag des Lernens" am 9. Jänner geht es heuer um den christlichen Umgang mit den Pharisäern" geht. Die Veranstaltung an der Universität Wien steht unter dem Motto "Die Pharisäer waren keine 'Pharisäer'" (Dekanatssitzungssaal der Katholisch-theologischen Fakultät, Universitätsring 1, Stiege 8, 2. Stock).
An den Pharisäern im Neuen Testament wird gemeinhin nichts Positives gesehen, erläuterte dazu Prof. Jäggle gegenüber Kathpress. Somit würden mit dem negativen Bild der Pharisäer unterschwellig immer auch antijüdische Ressentiments mittransportiert. Jäggle: "Die Verunglimpfung der Pharisäer ist gleichbedeutend mit einer Verunglimpfung der Juden." Dem gelte es entgegenzuwirken: "Es braucht einen neuen, differenzierten und wertschätzenden Zugang zu den Pharisäern."
Grußworte beim Tag des Lernens sprechen u.a. Oberrabbiner Jaron Engelmayer und der armenisch-apostolische Bischof und Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Tiran Petrosyan. Den Hauptvortrag hält die amerikanische Theologin und Neutestamentlerin Amy-Jill Levine, die für ihre interdisziplinäre Arbeit im Bereich der jüdisch-christlichen Studien bekannt ist. 2019 war sie die erste Jüdin, die am Päpstlichen Bibelinstitut (Rom) über das Neue Testament gelehrt hat.
"Tag des Gedenkens"
Der "Tag des Gedenkens" ist heuer am 13. Jänner um 19 Uhr im Bezirksmuseum Josefstadt (Schmidgasse 18, 1080 Wien) der Synagoge Josefstadt Neudeggergasse gewidmet. Die Synagoge in der Neudeggergasse war 1903 erbaut und im Jahr 1938 bei den der Novemberpogromen zerstört worden. Zum Gedenken an die Jüdinnen und Juden in der Josefstadt wurde 1998 der Verein "Verlorene Nachbarschaft" gegründet, der die Erinnerung und Beforschung der zerstörten Synagogen mit einer eindrucksvollen Aktion ins Rollen brachte. 1999 erschien die Publikation "Verlorene Nachbarschaft: Die Wiener Synagoge in der Neudeggergasse - ein Mikrokosmos und seine Geschichte." Die Autorinnen und Autoren begaben sich auf die Suche nach den jüdischen NachbarInnen von einst und hielten ihre Erinnerungen in Wort und Bild fest. Jäggle dazu: "Das zeigt, was möglich ist, wenn eine lokale Gruppe eine Initiative setzt".
Beim "Tag des Gedenkens" werden Bezirksvorsteher Martin Fabisch und der Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Benjamin Naegele, Grußworte sprechen. Gedanken zum Gedenken kommen von der evangelischen Pfarrerin Julia Schnizlein. Vor der Veranstaltung gibt es eine Führung durch das Bezirksmuseum und die Ausstellung "Ich wollte Wien liebhaben, habe mich aber nicht getraut" über das Leben der Schriftstellerin Lore Segal (1928-2024).
Segal wuchs in Wien in der Josefstadt auf und musste miterleben, wie die Nazis 1938 die Wohnung ihrer Familie "arisierten". Lore konnte am 10. Dezember jenes Jahres mit dem ersten Kindertransport nach England entkommen, ihren Eltern gelang es, später nachzukommen. Die Mehrzahl von Lores Verwandten und deren Angehörige fielen jedoch dem NS-Terror zum Opfer. Sie verarbeitete ihre Kindheitserinnerungen in ihrem in den USA mehrfach ausgezeichneten literarischen Werk.
Veranstaltungen in den Bundesländern
In der Evangelischen Heilandskirche in Graz (19 Uhr, Kaiser-Josef-Platz 9, 8010 Graz) findet am 16. Jänner ein ökumenischer Gottesdienst zum Tag des Judentums statt, der unter dem Motto "Liebe deinen Fremden!" steht. Die Predigt hält Apostel Matthias Pfützner von der Neuapostolischen Kirche.
In Linz gibt es am 14. Jänner an der Katholischen Privat-Universität (KU) eine Abendveranstaltung (19 Uhr) zum Thema "Perspektiven auf den christlich-jüdischen Dialog 60 Jahre nach Nostra aetate". Vor 60 Jahren revidierte die katholische Kirche mit der Erklärung Nostra aetate ihre Haltung zum Judentum grundlegend. Der christliche Antijudaismus hat bis dahin vielfältiges Leid an Jüdinnen und Juden verursacht oder dazu beigetragen. Den Hauptvortrag hält am 14. Jänner Jehoshua Ahrens, Oberrabbiner von Salzburg. Er wird der Frage nachgehen, wie aus jüdischer Sicht das Christentum verstanden und das jüdisch-christliche Verhältnis bewertet wird. Ergänzende Impulse kommen von Bischof Manfred Scheuer und dem evangelischen Pfarrer Roland Werneck. Im Anschluss erfolgt eine Podiumsdiskussion.
Oberrabbiner Ahrens wird zudem am 16. Jänner in Innsbruck (19 Uhr, Haus der Begegnung, Rennweg 12, 6020 Innsbruck) einen weiteren Vortrag halten zum Thema: "Jesus aus jüdischer Perspektive".
In Salzburg wird am 16. Jänner anlässlich des "Tages des Judentums" zu einem "Blick ins Nachbarland Ungarn" in die Katholisch-Theologische Fakultät eingeladen (15 bis 18 Uhr). Themen sind etwa jüdisches Leben, interreligiöser Dialog und aktuelle Religionspolitik in Ungarn.
In Vorarlberg laden die Altkatholische, Evangelische, Katholische und die Serbisch-orthodoxe Kirchen gemeinsam zu einer Exkursion nach München ein: Am 19. Jänner wird in München die Ohel-Jakob-Synagoge besichtigen. (Infos: www.christenundjuden.org bzw. www.oekumene.at)
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