Kameruns Bischöfe kritisieren Präsident Biya laut und deutlich
08.01.202514:53
Kamerun/Kirche/Wahl/Regierung/Gesellschaft
Debatte um erneute Kandidatur von 91-jährigem Langzeitherrscher bricht ein gesellschaftliches Tabu - Hintergrundbericht von Katrin Gänsler
Douala/Bonn, 08.01.2025 (KAP/KNA) Die Schlagzeilen reißen nicht ab: In kamerunischen Medien ist die Rede von "Skandal" und der Überschreitung einer "roten Linie". Hintergrund ist, dass kamerunische Bischöfe seit Weihnachten die Regierungsführung von Paul Biya (91) zunehmend in Frage stellen. Seit dem Tod von Königin Elizabeth II. im September 2022 ist er das am längsten regierende Staatsoberhaupt. Biya wurde im November 1982 zweiter Präsident des zentralafrikanischen Staates, nachdem Vorgänger Ahmadou Ahidjo offiziell aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war. Die Nichtregierungsorganisation Freedom House mit Sitz in Washington stuft Kamerun als "nicht-frei" ein, was politische Rechte und bürgerliche Freiheiten angeht.
Begonnen hatte die Debatte am ersten Weihnachtsfeiertag, als Samuel Kleda, Erzbischof von Douala, dem französischen Sender RFI ein Interview gab. Zunächst forderte er die Machthabenden auf, im Konflikt im englischsprachigen Landesteil eine friedliche Lösung zu finden. Die Konfliktparteien müssten einander zuhören.
Tausende Tote und 600.000 Binnenflüchtlinge
Der Konflikt begann 2016, als Bewohner der Region die ihrer Ansicht nach jahrzehntelange strukturelle Benachteiligung nicht länger hinnehmen wollten. Bei Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Separatisten kamen bisher mindestens 6.000 Menschen ums Leben. Knapp 600.000 Binnenflüchtlinge werden gezählt. Auch ein nationaler Dialog im Jahr 2019 änderte nichts daran.
Für Aufsehen im ganzen Land (30 Millionen Einwohner) sorgten jedoch Kledas Äußerungen zur Präsidentenwahl, die für Oktober geplant ist. Der Erzbischof sagte: "Ich glaube, dass unsere Zeit als Menschen auf dieser Welt begrenzt ist. Wir sind nicht in der Lage, Wunder zu vollbringen. Deshalb betone ich die Bedeutung des Übergangs. Es ist entscheidend, sicherzustellen, dass alles gut vorbereitet ist und man nicht überrascht wird." Auf Nachfrage wurde er deutlicher und bezeichnete eine erneute Kandidatur Biyas als "nicht realistisch".
Lieber Luxushotel am Genfer See als Kamerun
Ganz neu ist die Debatte nicht. Im Herbst gab es Gerüchte, dass Biya tot sei. Von staatlicher Seite wurde versucht, Spekulationen zu unterdrücken. Doch der Langzeitherrscher wurde mehr als eineinhalb Monate nicht in Kamerun gesehen. Für medizinische Behandlungen soll er in der Schweiz gewesen sein, wo er - so sagen es Kritiker - ohnehin seine Zeit am liebsten verbringt: in einem Luxushotel mit Blick auf den Genfer See. Dann tauchte er wieder auf.
Kledas Äußerung war nur der Auftakt für Kritik aus Kirchenkreisen, ungewöhnlich für Kamerun. Gegen Andersdenkende geht der Staat zügig und deutlich vor. Reporter ohne Grenzen kritisierte beispielsweise mehrere langjährige Gefängnisstrafen für Journalisten sowie die Ermordung des Investigativjournalisten Martinez Zogo, der 2023 in der Nähe der Hauptstadt Jaunde ums Leben kam.
Auch Oppositionspolitiker wie Maurice Kamto wurden verhaftet. Im August wurden 15 seiner Unterstützer zu sechsmonatiger Haft verurteilt. Der Grund: Nach Einschätzung der Richter hatten sie an einer nicht genehmigten Demonstration teilgenommen. Im Dezember musste eine Menschenrechtsorganisation ihre Arbeit vorübergehend einstellen.
Menschen im Norden leiden unter Boko Haram
Die Bischöfe im Norden des Landes bewegt aber noch etwas anderes: die Präsenz der nigerianischen Terrororganisation Boko Haram. Belastend für die ländliche Bevölkerung sind nicht nur Überfälle, Angriffe und Waffenschmuggel. Laut einer Untersuchung der Denkfabrik Enact Africa, die zu international organisierter Kriminalität arbeitet, hat in den vergangenen Jahren der Viehdiebstahl zugenommen. Rinder wie Ackerbau sind für viele Menschen die Lebensgrundlage.
Barthelemy Yaouda Hourgo, Bischof von Yagoua unweit der Grenze zum Tschad, sagte zum Jahreswechsel: "Genug ist genug." Kamerun habe bereits ausreichend gelitten. "Die Menschen haben die Nase voll." Das vielfach in Sozialen Netzwerken geteilte Video heizte die Diskussion in den vergangenen Tagen weiter an. Auch der Bischof von Ngaoundéré, Emmanuel Abbo, äußerte sich: "Die Kameruner haben schon viel zu lange gelitten." Noch schlimmer sei es, dass sie ihr Leid nicht öffentlich zeigen dürften.
Biyas Anhänger werfen den Bischöfen längst Einmischung und Amtsmissbrauch vor. Das Magazin "Jeune Afrique" kommentiert jedoch: In Kamerun ist das Tabu, über die Zeit nach Biya zu sprechen, gebrochen.
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