Direktor der Katholischen Sozialakademie Österreichs befürchtet im Interview mit deutschem Portal "katholisch.de" "Orbanisierung" Österreichs mit negativen Auswirkungen für Menschrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie
Bonn/Wien, 09.01.2025 (KAP) Der Direktor der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe), Markus Schlagnitweit, hat vor einer neuen Regierung unter FPÖ-Führung gewarnt. Er fürchte eine "Orbanisierung" Österreichs - "mit äußerst negativen Auswirkungen für die menschenrechtsbasierte rechtsstaatliche Demokratie", so der ksoe-Direktor in einem Interview für das deutsche Kirchenportal "katholisch.de". Die Kickl-FPÖ würde etwa sehr rasch an neuralgischen Punkten ansetzen: bei öffentlich-rechtlichen Medien oder in der Justiz, mutmaßte Schlagnitweit. Viele der von der FPÖ vertretenen Positionen seien für ihn klar unvereinbar mit christlichen Grundsätzen.
Schlagnitweit sprach das Thema Menschenrechte an: "Die FPÖ schreibt Menschen je nach ihrer Herkunft unterschiedliche Rechte zu. Das ist für mich als Christ ein grundsätzliches No-Go. Wie man das mit christlichen Werten in Einklang bringen kann, ist mir schleierhaft." Er sei kein Befürworter von unregulierter Zuwanderung, "aber Menschen aufgrund ihrer Abstammung etwa in ihren Schutzrechten unterschiedlich zu behandeln, ist für mich schlicht nicht argumentierbar als Christ". Auch die Art und Weise, wie die FPÖ politische Kommunikation betreibt, widerspreche jeglichen moralischen Regeln, "indem sie beispielsweise 'Hate Speech' fördert".
Die katholische Soziallehre habe als Grundanliegen, ein gelingendes Zusammenleben unter Rücksichtnahme aller Glieder einer Gesellschaft zu ermöglichen. Die FPÖ habe aber einen ganz anderen Gemeinwohl-Begriff, "der dazu geeignet ist, die Gesellschaft zu spalten, wo Demokratie nur noch als Herrschaft einer Mehrheit verstanden wird und Minderheitsrechte nicht respektiert werden".
Schlagnitweit: "Die FPÖ würde wahrscheinlich dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk an den Kragen gehen. Sie hat als einzige Partei bereits eine eigene Fernsehanstalt, und viele ihrer Anhänger nutzen ausschließlich diese als Informationsquelle." Andere Themen, die ihm Sorgen bereiten, seien etwa der weitestgehende Rückzug aus europäischen Institutionen, die Kooperationsvereinbarungen mit dem militärischen Aggressor Russland oder die Bereiche Bildungspolitik und Integration.
Er sei der Überzeugung, so der ksoe-Direktor, "dass eine menschenrechtsbasierte rechtsstaatliche Demokratie die Staatsform ist, die mit der katholischen Soziallehre am besten kompatibel ist".
Er sehe zudem nur eine einzige Position ein, "wo sich die FPÖ der offiziellen kirchlichen Lehre annähert", und zwar beim Thema "Abtreibung auf Krankenschein". Hier habe sich die FPÖ als klare Gegnerin positioniert, "und es gibt leider viele Kräfte in der Kirche, für die das die einzige wahlentscheidende Frage ist. Dabei hätten wir so viele andere Themen, die ebenso wichtig sind."
Keine gute Sozialpolitik
Zur Frage, welche Personengruppen am meisten unter einer FPÖ-geführten Regierung leiden würden, meinte Schlagnitweit: "Das wären zweifellos Menschen mit schwacher sozialer Ausstattung - gerade solche mit Migrationshintergrund." In Bundesländern, in denen die FPÖ mitregiert, würden Asylsuchende schon jetzt in Unterkünften weitab von der Bevölkerung isoliert. Auch die LGBTQIA+-Bewegung werde unter der Gender-Politik der FPÖ leiden und bekäme mit ihren Anliegen sicherlich nicht viel Gehör.
Und obwohl sich die FPÖ gerne als "Partei des kleinen Mannes" darstellt, sei er sich sicher, so Schlagnitweit, "dass es letztlich keine gute Sozialpolitik geben wird - zumal es ja kein Geheimnis ist, dass Österreich Budget-Probleme hat und sparen muss". Ich fürchte, dass der Sozialbereich einer jener Bereiche sei, in denen dann zuerst gespart wird. "Da wird dann eher auf die Wirtschaftstreibenden und Vermögenden Rücksicht genommen."
Option für die Ärmsten
Zur Frage, welche Auswirkungen eine FPÖ-Regierung auf die Kirchen haben könnte, verwies der ksoe-Direktor zuerst auf den früheren FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Dieser habe bereits betont, man sei gegen ein Caritas-Christentum und für ein Kultur-Christentum. Schlagnitweit: "Dort, wo die Kirche mit ihrem Brauchtum also der Erhaltung der Folklore und der 'autochthonen' Kultur dient, da hätte sie wohl keine Nachteile zu erwarten. Aber dort, wo die Kirche sich im Sinne ihrer vorrangigen Option für die Ärmsten oder im internationalen Entwicklungsbereich einsetzt, würde sie unter der FPÖ zweifellos leiden."
Für die Katholische Sozialakademie fürchte er weniger Konsequenzen, "weil wir aktuell keine öffentlichen Gelder erhalten". Man werde ausschließlich von Geldern der Bischofskonferenz, von Spenden und von Honoraren für die eigene Tätigkeit finanziert.