Innsbrucker Bischof zu ersten Ergebnissen der "Was glaubt Österreich?"-Studie: Religion weiter relevant, wenn sie sensibel hinhört und Orientierung bietet
Innsbruck, 09.01.2025 (KAP) Eine ungebrochene "Sehnsucht nach Spiritualität" nimmt Bischof Hermann Glettler wahr. Die großen Fragen wie "Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin gehen wir?" beschäftigten die Menschen weiterhin, "die Antworten suchen sie jedoch oft außerhalb traditioneller Religionen", kommentierte der Innsbrucker Diözesanbischof in der Ö1-Sendung "Im Fokus" (Mittwoch) Ergebnisse der Studie "Was glaubt Österreich?". Neben vielen Herausforderungen sehe er in diesen auch positive Signale, sagte Glettler: "Die Ambivalenz zwischen Abkehr von Religion und der Suche nach neuen spirituellen Formen zeigt uns, dass wir als Religionsgemeinschaften relevant bleiben können." Religionen sollten "Menschen Mut machen, sich auf das Wagnis des Glaubens einzulassen".
Die von der Universität Wien in Kooperation mit dem ORF durchgeführte Studie gibt repräsentative Einblicke in den Glauben und die Lebensanschauungen der Menschen in Österreich. Die Befragung von über 2.000 Personen zwischen 14 und 75 Jahren zeigt unter anderem, wie unterschiedlich der Lebenssinn und die Religiosität in verschiedenen Altersgruppen wahrgenommen werden. Die meisten Befragten finden demnach ihren Lebenssinn eher im persönlichen und familiären Umfeld als in großen religiösen Erzählungen.
Glettler betonte, dass sich die Religionsgemeinschaften den aktuellen Unsicherheiten und der Nervosität der Zeit stellen müssen: "Wir müssen sensibel hinhören, was die Menschen bewegt, und gemeinsam mit ihnen neue Wege gehen". Es zähle schließlich zu den Hauptaufgaben von Religion, in schwierigen Zeiten Orientierung zu bieten: "Religion ist Nahrung für die Seele. Sie gibt Trost, Heilung und Vergebung. Gerade in Zeiten der Verunsicherung brauchen die Menschen Gewissheit und Zugehörigkeit", so der Bischof.
Den Ergebnissen zufolge gab es in Österreich eine Säkularisierung der Gottesvorstellung: Nur 22 Prozent der Befragten glauben an einen personalen Gott, weitaus mehr an eine "höhere Energie oder Macht". Ältere Menschen und Frauen neigen eher zu einem Glauben an ein höheres Wesen als Männer und jüngere Personen. Dennoch wurden die Studienautoren davon überrascht, dass sie bei jungen Menschen, trotz eines Rückgangs der formalen Religionszugehörigkeit, größere Offenheit für verschiedene Formen von Spiritualität fanden.
Junge religiös ansprechbar
Junge Menschen, so die Studie, stehen Religion entspannter gegenüber als ältere Generationen und suchen oft individuelle Zugänge zu Spiritualität. Sie kombinieren verschiedene religiöse Elemente und sehen persönliche Glaubensbausteine als wertvoll an. Glettler bezeichnete dies als ein großes Potenzial: "Junge Menschen haben eine bemerkenswerte soziale Sensibilität und einen starken Sinn für Gerechtigkeit. Das sind hervorragende Ansatzpunkte, um sie anzusprechen." Die Kirche müsse ihre Botschaften "mutiger" gestalten, um den Jugendlichen Orientierung und Zuversicht zu geben.
Diskutiert wurde in der Ö1-Sendung auch der Zusammenhang zwischen Religiosität und gesellschaftlichen Einstellungen. Religiöse Menschen zeigen den Ergebnissen zufolge tendenziell höhere Zufriedenheit mit der Demokratie, neigen jedoch gleichzeitig auch zu autoritäreren Haltungen. Glettler sah diesen Hinweis als "Weckruf". Wichtig sei aus Sicht der Kirche, den Dialog zwischen Glaubensrichtungen und Kulturen zu stärken und eine Kultur der Dankbarkeit sowie Begegnung und globale Geschwisterlichkeit zu fördern. Papst Franziskus habe dazu wertvolle Beiträge geliefert und starke Gesten gesetzt, so der Bischof.
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