Geschäftsführer des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Katz-Wilfing, spricht im Interview mit Kirchenzeitung "Der Sonntag" von "dreifachem Israel-Hass" - Plädoyer für intensiven christlich-jüdischen Dialog
Wien, 10.01.2025 (KAP) Für den Wiener Rabbiner und Geschäftsführer des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Yuval Katz-Wilfing, ist der Begriff "Antisemitismus" zu schwach bzw. falsch, um das treffend zu beschreiben, was eigentlich dahintersteht. Er wolle lieber vom "dreifachen Israel-Hass" sprechen, so Katz-Wilfing im Interview in der aktuellen Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag": "Erstens kann man das religiöse Israel hassen, also alles, was mit der Religion des Judentums zu tun hat. Und dann gibt es zweitens einen modernen Volk-Israel-Hass, quasi den biologischen Hass auf Juden. Und drittens gibt es dann den politischen Israel-Hass, wie wir ihn gerade auch in Europa aktuell sehen und erleben, gerichtet auf den Staat Israel, aber auch auf jüdische Organisationen."
Insofern sei "Antisemitismus" nur eine schwache Bezeichnung für diesen dreifachen Israel-Hass. Es stimme ihn einfach traurig in diesen Zeiten, "dass Jüdinnen und Juden in Europa in der Öffentlichkeit jüdische Zeichen und Symbole fast verstecken müssen, um nicht schlimmstenfalls angegriffen oder angepöbelt zu werden", so Katz-Wilfing.
Das Interview mit dem Rabbiner fand im Vorfeld des "Tages des Judentums" (17. Jänner) statt, an dem sich die Kirchen jedes Jahr ihrer jüdischen Wurzeln besinnen. Der "Tag des Judentums" sei an sich ein christlicher Gedenktag, kein ausdrücklich jüdischer Tag, so Katz-Wilfing. Gerade weil ihm aber das Gespräch zwischen und mit den Religionen so wichtig ist, "halte ich es für mich als Juden auch für notwendig und für eine Pflicht, die Begegnung zwischen Juden und Christen zu fördern und, wo immer es möglich ist, zu unterstützen".
Mit den Christen hätten die Juden eine sehr große gemeinsame und breite Basis - "die Bibel und verschiedene theologische Gemeinsamkeiten. Und das fördert dann den Dialog zwischen uns und auch das Verständnis zwischen den Gruppierungen".
Begegnungen ermöglichen
Das gegenseitige Verständnis zwischen Juden und Christen zu vertiefen sei die tägliche Arbeit des Koordinierungsausschusses. Katz-Wilfing: "Ich weiß natürlich, dass wir vor allem ältere, interessierte und gebildetere Menschen ansprechen - mit unserer Zeitschrift, mit der Bibliothek, mit den Veranstaltungen. Deshalb ist auch unsere Zeitschrift mehr theologisch und akademisch geprägt. Wir versuchen aber immer neue Wege zu finden und zu gehen, um Begegnungen zwischen Juden und Christen zu ermöglichen."
Für ihn sei erstens die persönliche Begegnung mit anderen Menschen die wichtigste Form der Verständigung. Zweitens gehe es darum, die Menschen als kulturelle und religiöse Wesen kennenzulernen. Dazu habe der Ausschuss etwa ein neues Spiel entwickelt: "Dialog Abraham"; für eher jüngere Menschen. Drittens findet der Dialog auf theologischem Niveau statt.
Den interreligiösen Dialog dürfe man dabei aber nicht nur auf die Fachleute reduzieren. "Immer steht bei allen interreligiösen Aktivitäten die persönliche Begegnung, das Kennenlernen der anderen, besonders im Mittelpunkt."
Einziger konservativer Rabbiner in Österreich
Seit 15 Jahren lebt Yuval Katz-Wilfing mit seiner Frau und drei Kindern in Wien. In Israel geboren und aufgewachsen, absolvierte er dort den Militärdienst und studierte Informatik sowie Religionswissenschaft. Nach einem Aufenthalt als Jugendlicher in Oklahoma (USA) arbeitete er später in Österreich als Chip-Designer im Raumfahrt-Bereich und promovierte im Fach Judaistik in Wien. Seit 2020 ist er im Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit als Geschäftsführer in Wien tätig. Seit kurzem ist Katz-Wilfing auch Rabbiner, momentan "der einzige konservative Rabbiner in Österreich".
In Wien gebe es drei Strömungen des Judentums, erläuterte der Rabbiner: die Ultraorthodoxen und Orthodoxen, die Konservativen sowie die Liberalen bzw. Reformjuden. Wobei sich Ultraorthodoxe und Orthodoxe nochmals unterscheiden würden. Der Wiener Stadttempel zähle etwa zur Orthodoxie. Entscheidend seien immer der Umgang mit dem jüdischen Religionsgesetz sowie mit Fragen des Kultes, der Liturgie. "Es geht also zum einen um die verschiedenen Auslegungen und zum anderen um die jeweiligen Verpflichtungen, die sich für den Einzelnen daraus ergeben", so Katz-Wilfing.
Kathpress-Themenpaket zum kirchlichen "Tag des Judentums" (17. Jänner) und der internationalen "Gebetswoche für die Einheit der Christen" (18.-25. Jänner)