Bischofskonferenz-Generalsekretär in ORF-Sendung "Orientierung": Mit Gott geht Menschliches verloren - Evangelischer Bischof Chalupka: "Ersatzgötter" geben zu denken
Wien, 12.01.2025 (KAP) Auch in Zeiten schwindenden Glaubens an Gott oder ein höheres Wesen bleibt die Frage, ob Gott existiert, eine entscheidende: Darauf hat der Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz, Peter Schipka, in der ORF-Sendung "Orientierung" (Sonntag) hingewiesen. "Menschen, die sich Gott ganz verschrieben haben, sind oft jene, die besonders nahe an den Menschen sind - wie etwa Mutter Teresa, viele Menschen in den Pfarren oder in der Caritas. Wo Gott verloren geht, geht Menschliches verloren", sagte Schipka. Er äußerte sich im Studiogespräch gemeinsam mit dem evangelisch-lutherischen Bischof Michael Chalupka.
Ausgangspunkt der Sendung war die Studie "Was glaubt Österreich?" der Universität Wien, die in Zusammenarbeit mit dem ORF erstellt wurde und deren erste Ergebnisse nun vorliegen. Nur 22 Prozent der Österreicher glauben laut der repräsentativen Erhebung an die Existenz eines Gottes, wogegen ein höherer Anteil der Bevölkerung eine abstrakte Vorstellung von Gott besitzt oder an das Universum oder das Schicksal glaubt. Schipka sah in dem Befund eine Aufforderung an die Kirche, den Menschen die große Bedeutung des Gottesglaubens und dessen positive Auswirkungen auch für das eigene Leben und Verhalten näherzubringen.
Die Freiheit, zu glauben oder nicht, sei Grundvoraussetzung, so Schipka weiter, auch hätten die Religionsgemeinschaften längst kein Monopol mehr um zu bestimmen, was für andere gut ist. Auf den "positiven Beitrag von Christinnen und Christen für Demokratie und Frieden" - sichtbar etwa an den Gründerfiguren der EU - könne man dennoch nicht genug hinweisen, merkte der Generalsekretär zu einem weiteren Ergebnis der Studie an; religiöse Menschen sind demnach grundsätzlich zufriedener mit Demokratie und haben mehr Vertrauen in Institutionen wie das Parlament, zeigen zugleich aber tendenziell stärkere Ablehnung gegenüber Minderheiten.
Das für die Studienautoren überraschende Ergebnis der vergleichsweise hohen Relevanz von Religion bei der jungen Generation zwischen 14 und 25 Jahren deckt sich laut Schipka mit den Erfahrungen der katholischen Kirche. "Jugendliche heute zeigen eine neue Offenheit für Sinnfragen wie 'Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was ist der Sinn des Lebens?'", so der Generalsekretär. Viele der heutigen Jugendlichen seien auf der Suche nach Antworten, "da sie spüren, dass es Konsum oder Leistung nicht alles sein kann". Bei Themen wie etwa dem Klimaschutz werde dies offenkundig. Dass die Gewissheit, von Gott geliebt zu sein, dem Leben Sinn gibt, müsse die Kirche weiterhin vermitteln.
Chalupka: Glauben und Zweifeln
Auf den im protestantischen Christentum besonders hochgehaltenen Wert des Zweifelns neben dem Glauben wies der lutherische Bischof Chalupka in der Sendung. So sei es erklärbar, dass Evangelische im Vergleich mit Gläubigen anderer Religionsgemeinschaften am seltensten an die Existenz Gottes glauben. Die Studie rege jedoch zum Nachdenken an, "was an die Stelle des Gottesglaubens tritt". Positives wie Familie und Gesundheit, jedoch teils auch problematische Phänomene wie der Glaube an starke Führungspersonen oder an autoritäre Strukturen würden dabei zu einer Art Gottesersatz.
Dass die Religion laut Studie für ethische Entscheidungen der Menschen immer weniger relevant ist, könne man auch positiv formulieren, so der evangelische Bischof weiter. Ebenso wie der Reformator Martin Luther das Gewissen ins Zentrum gesetzt habe, sei für Evangelische heute wichtig, "dass Gewissensentscheidungen individuell getroffen werden". Hinsichtlich des Verhältnisses von Religion und Demokratie betonte Chalupka, dass die evangelische Kirche durch ihre demokratische Struktur vorbildhaft sei. Er selbst werde nicht müde, gegenüber seinen Pfarrgemeinden die Wichtigkeit von Demokratie und Menschenrechten zu betonen, sagte der Bischof.
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