Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit nimmt in "Furche"-Gastkommentar heimische Pfarren in die Pflicht
Wien, 13.01.2025 (KAP) Inmitten der aktuellen politischen Turbulenzen, Sorgen und Ängste erinnert der "Tag des Judentums" (17. Jänner) daran, was Christinnen und Christen dem jüdischen Volk verdanken und was zur Erneuerung der Kirchen, christlicher Theologie und Existenz aus dem christlich-jüdischen Dialog zu tun wäre. Das betont Prof. Martin Jäggle, Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, in einem aktuellen Gastkommentar, der am Sonntag auf der Website der Wochenzeitung "Die Furche" (www.furche.at) veröffentlicht wurde.
Jäggle verwies u.a. auf die christlichen Stereotypen zu den Pharisäern. Die Verunglimpfung der Pharisäer sei gleichbedeutend mit einer Verunglimpfung der Juden. Es brauche deshalb einen "Prozess der Entgiftung und des Neuaufbaus" für einen neuen, differenzierten und wertschätzenden Zugang zu den Pharisäern.
Jäggle betonte die Pflicht der christlichen Gemeinden, antijüdische Argumente und Stereotype nicht zu verstärken, sondern er appellierte mit den Worten der US-amerikanischen Expertin für den christliche-jüdischen Dialog, Prof. Elena Procario-Foleyganz: "Verkünden Sie die gute Nachricht vom auferstandenen Christus - ohne das Judentum zu verunglimpfen." Und mit eigenen Worten fügte er hinzu: "Es wäre schon viel, wenn bis dahin etwa in Predigten einfach alles weggelassen wird, das Jesus aus seinem Judentum heraushebt oder Jesus in Gegensatz zu seinem Judentum bringt. Dann wären wir einen Schritt weiter."
Judenhass in Österreich "explodiert"
Der Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit zeigte sich auch einmal mehr tief besorgt über den zunehmenden Antisemitismus in Österreich. Der Judenhass, Antisemitismus genannt, sei im Gefolge des 7. Oktober 2023 auch in Österreich "explodiert", so Jäggle: "Freundschaften gingen in Brüche, weil sich jüdische Menschen in Österreich für den Nahostkrieg rechtfertigen müssen. Jüdische Eltern nehmen ihre Kinder aus öffentlichen Einrichtungen, weil diese unerträglichen Situationen ausgesetzt sind." Dazu würden sie sogar ermutigt, "anstatt dass die Verantwortlichen alarmiert wären über die Situation in ihrer Einrichtung". Ein koscherer Caterer sei mit seiner Familie aus Wien nach Israel emigriert, so Jäggle: "Jüdinnen und Juden werden angehalten, aus Sicherheitsgründen keine religiösen Symbole in der Öffentlichkeit zu tragen. Und jetzt der drohende politische Umbruch in Österreich."
Alle Religionsgemeinschaften müssten sich bei einer von der FPÖ geführten Regierung "warm anziehen", die Auswirkungen für die jüdische Gemeinde seien aber ganz speziell. Jäggle zitierte Katharina von Schnurbein, EU-Antisemitismusbeauftragte, die im Frühjahr 2024 festhielt: "Die FPÖ ist eine Gefahr für Jüdinnen und Juden in Österreich."
Ein freiheitlicher-Bundeskanzler sei - unabhängig von der Person - der Worst Case für die jüdische Gemeinde, auch wenn sie stark und selbstbewusst sei, so Jäggle. Mit einem höheren Status der Freiheitlichen drohe u.a. ein weiterer Anstieg des Antisemitismus. Dabei sei jüdisches Leben ohne Angst ein wichtiger Indikator für die Humanität einer Gesellschaft.
Theologie ist gefordert
Jäggle zeigte sich in seinem Kommentar mit Blick auf die beiden deutschen Theologen Christian Frevel und René W. Dausner überzeugt, dass eine "Dringlichkeitskonferenz gegen Antisemitismus" aus der Mitte der Theologie anstehe, weil es "in nahezu allen theologischen Disziplinen mit Bezug auf den theologischen Antisemitismus einen Problemüberhang und ein Lösungsdefizit" gibt. Als Vision leite die beiden die biblische Verheißung des Propheten Zefanja vom einmütigen Nebeneinander, "Schulter an Schulter" Gott zu dienen.
Kathpress-Themenpaket zum kirchlichen "Tag des Judentums" (17. Jänner) und der internationalen "Gebetswoche für die Einheit der Christen" (18.-25. Jänner)