Ein Papst ist auch nur ein Mensch: In seiner neuen Autobiografie zeigt Franziskus Emotionen und Charakterschwächen - Besuche bei einer Psychiaterin verschweigt er nicht
Vatikanstadt, 14.01.2025 (KAP) Tränen, Neurosen, Besuche beim Psychiater: In seiner am Dienstag veröffentlichten Autobiografie "Hoffe" zeigt Papst Franziskus seine verletzliche Seite und räumt Charakterschwächen ein. "Auch ich erfreue mich einiger Neurosen", schreibt der 88-Jährige, "Eine davon ist, dass ich ziemlich an meiner Umgebung hänge." Damit erklärt er auch seine Eigenheit, den Urlaub als Papst lieber in seiner Wohnung im vatikanischen Gästehaus Santa Marta zu verbringen, anstatt es seinen Vorgängern mit den Sommeraufenthalten in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo oder in den Alpen gleich zu tun. Franziskus rät dazu, die eigenen Neurosen zu pflegen - beispielsweise mit südamerikanischem Tee: "Ihnen jeden Tag ein bisschen Mate einflößen..."
Eine gewisse Melancholie begleitet den gebürtigen Argentinier bereits seit seiner Kindheit, wie Franziskus schreibt. Sie nütze ihm zur Entschleunigung, zum Klären vieler Dinge. "Es ist ein Signal, das mir sagt, dass ich achtgeben muss, das gerade etwas geschieht und das Leben von mir eine Antwort verlangt. Ich habe auch gelernt, von dort aus vorwärtszugehen."
Immer wieder schildert Franziskus auf den knapp 400 Seiten Momente, die ihn zum Weinen brachten. Keine Angst vor seinen Gefühlen zu haben sei etwas, was er in seinem ersten Jahr im Internat gelernt habe, berichtet der als Jorge Mario Bergoglio geborene Argentinier. Gemeinsam mit seinem Bruder Oscar besuchte er ab der sechsten Klasse das Salesianerkolleg Wilfrid Baron, nachdem seine Mutter aufgrund ihres Gesundheitszustandes Entlastung benötigte.
Ebenso offen erzählt er von seinen regelmäßigen Besuchen bei einer Psychiaterin über knapp ein Jahr. In Zeiten der Militärdiktatur in Argentinien (1976-1983) - die er in "Hoffe" eindrücklich schildert - habe es emotional aufreibende Momente gegeben, die man auszuhalten hatte, schreibt Franziskus. "Ich ging einmal pro Woche zu ihr, und ihre Ratschläge waren mir immer sehr nützlich. Ich habe sie bis heute im Gedächtnis bewahrt, und sie sind immer noch lehrreich für mich."
Ungeduld "ein Problem, das ich immer wieder habe"
Eine Schwäche - auch als Papst - sieht Franziskus in seiner Ungeduld - "ein Problem, das ich immer wieder habe". Er schreibt: "Wenn ich gestolpert bin, dann häufig, weil es mir an Geduld fehlte. Weil ich nicht abwarten konnte, dass manche Prozesse Zeit brauchen, damit sie sich normal entwickeln und die Früchte heranreifen."
Geduld bewies der kleine Jorge jedoch bei seiner eigenen Geburt. Weil er bereits eine Woche überfällig gewesen sei, habe sich der Hausarzt der Familie kurzerhand auf den Bauch seiner Mutter gesetzt, um die Geburt einzuleiten. Am 17. Dezember 1936 sei er so auf die Welt gekommen - mit einem Gewicht von fünf Kilogramm.