Caritas-Europa-Präsident Landau, Ex-EU-Kommissar Fischler, Ex-EU-Abgeordnete Lichtenberger und "Kurier"-Journalistin Emminger diskutierten in Wien über Zukunft Europas - Fischler: "Keinen Weg beschreiten, der in Richtung Orban geht"
Wien, 15.01.2025 (KAP) "Aufwachen, meine Damen und Herren, ist jetzt angesagt": So hat der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler (ÖVP) angesichts eines "zunehmenden Abbaus der liberalen Demokratie" unter einer möglichen Kanzlerschaft von Herbert Kickl am Dienstag in Wien appelliert. Rahmen bildete eine von der Akademie für Dialog und Evangelisation veranstaltete Diskussionsrunde im WUK unter dem Titel "Quo vadis Österreich, quo vadis EU?" anlässlich der 30-jährigen EU-Mitgliedschaft Österreichs und vor dem Hintergrund aktueller innenpolitischer Entwicklungen. Weitere Beteiligte waren Caritas-Europa-Präsident Michael Landau, die frühere EU-Abgeordnete Eva Lichtenberger (Grüne) und "Kurier"-Außenpolitikjournalistin Sarah Emminger.
"Verzwergung" Europas verhindern
Einig waren sich die Diskutanten darin, dass es in der EU mehr Zusammenhalt brauche, um rechtspopulistischen und antieuropäischen Kräften entgegenzutreten. "Es muss uns gelingen, dass wir auch in Zukunft zu den Kernländern der EU zählen und dass wir nicht einen Weg beschreiten, der in Richtung Orban geht", forderte Fischler. Sorge bereite ihm eine Aussage des ungarischen Ministerpräsidenten bei einem kürzlichen Wien-Besuch, er freue sich schon auf einen Bundeskanzler Herbert Kickl in Österreich, "weil dann kann man endlich mit diesem völlig veralteten und verrotteten Modell der liberalen Demokratie Schluss machen".
Angesichts der Probleme, die es in den kommenden Jahren zu bewältigen gelte, müsse es klar sein, "dass ein einzelner Staat in der Europäischen Union das unmöglich erreichen kann und wir mit einer Verzwergung Europas nicht weiterkommen", so der frühere EU-Kommissar. Fortschritte in der Klimapolitik, eine Technologieführerschaft in verschiedenen Branchen und Sicherheit in Europa könnten nur durch Zusammenarbeit gelingen: "Entweder es gibt die Zusammenarbeit oder wir spielen keine Rolle." Zwischen diesen beiden Optionen müsse man wählen.
Hoffnung statt Angst
Caritas-Europa-Präsident Landau bezeichnete Zusammenhalt und Zuversicht als "Grundlage für eine erfolgreiche europäische Zukunft und das Ergebnis guter Politik". Im Hinblick auf das von Papst Franziskus ausgerufene Heilige Jahr 2025 könne das Motto "Pilger der Hoffnung" auch als eine Leitlinie für Europa gesehen werden, befand Landau, der zugleich vor einer Instrumentalisierung der Angst warnte, da diese das solidarische Handeln hemme. Mit Angst Politik zu betreiben, "zerstört etwas und geschieht, wie mir scheint, derzeit viel zu oft". Auch Landau mahnte zur Zusammenarbeit bei der Suche nach Lösungen für die "großen Aufgaben" wie Klimakrise, Migration, Integration und Kinderarmut.
Eine ertragreiche Zukunft der EU sah der Caritas-Europa-Präsident zudem in der "Europäisierung von Europa, weil Europa nicht vollständig ist", wobei er auch das Thema EU-Erweiterung ansprach. "Europa muss mit beiden Lungenflügeln atmen", zitierte er Johannes Paul II. Es gehe nicht darum, "Länder aufzunehmen, damit sie endlich auch ein bisschen Europa sind, sondern es geht darum, dass Europa eben Europa wird", so Landau.
Starke Zivilgesellschaft
Die ehemalige EU-Abgeordnete Lichtenberger forderte angesichts der möglichen Regierung unter einem FPÖ-Kanzler "eine starke Zivilgesellschaft, die uns allen und uns gegenseitig zeigt, dass Österreich nicht ein Land von Rechtsradikalen ist", und auch, "dass wir unsere Demokratie in der EU und zu Hause schützen und bewahren wollen".
Journalistin Emminger wünschte, dass Politiker in Österreich und in der EU "aufhören, Probleme und vielleicht auch ihr eigenes Versagen auf Brüssel und die EU abzuschieben - vor allem, wenn falsche Behauptungen dafür als Basis dienen." Eine "gesunde" EU-Kritik sei wichtig, jedoch dürfe die EU nicht als "Sündenbock" für Populisten herhalten.