Oberrabbiner Di Segni sieht bei Franziskus' Worten zum Gaza-Krieg "selektive Empörung" verglichen mit anderen aktuellen Konflikten in der Welt
Rom, 17.01.2025 (KAP) Roms Oberrabbiner Riccardo Di Segni hat Papst Franziskus scharf kritisiert, weil das Kirchenoberhaupt in letzter Zeit die Kritik an Israels Militäraktion im Gazastreifen verschärft hat. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, äußerte sich Di Segni am Donnerstag bei einer jährlichen katholisch-jüdischen Dialogveranstaltung an der Päpstlichen Lateranuniversität in Rom. Dabei warf er Franziskus vor, Israel unfair zu behandeln. Der Oberrabbiner verglich die Aufmerksamkeit des Papstes auf Israel mit anderen Konflikten weltweit, darunter im Sudan, Jemen, Syrien und Äthiopien. "Selektive Empörung (...) schwächt die Stärke des Papstes. Ein Papst kann die Welt nicht in Kinder und Stiefkinder einteilen und muss das Leiden aller anprangern", sagte Di Segni.
Einer der Organisatoren der Veranstaltung, der katholische Priester Marco Gnavi, zeigte sich laut dem Bericht überrascht von Di Segnis Äußerungen. "Sie können nicht von uns verlangen, dass wir nicht sowohl mit Ihnen als auch mit anderen leiden", wandte sich der Priester an den Oberrabbiner.
Papst Franziskus steht seit Beginn des Nahost-Krieges besonders von israelischer Seite in der Kritik, den Terrorangriff der Hamas nicht klar genug zu verurteilen. Das Kirchenoberhaupt ruft unentwegt zu Frieden in der Region auf, fordert die Freilassung der israelischen Geiseln, ebenso wie die Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen. Erst vor wenigen Wochen hatten Äußerungen von Papst Franziskus zu möglichen Genozid-Vorwürfen gegen Israel international für Schlagzeilen gesorgt.
In seiner in dieser Woche veröffentlichten Autobiografie "Hoffe" verurteilt Franziskus das "gnadenlose" Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 mit der Ermordung von mehr als 1.000 Menschen und der Geiselnahme vieler Israelis in deutlichen Worten. Zu dieser "unglaublichen Qual" habe sich aber eine weitere gesellt, die auf die Gegenwehr Israels zurückgehe, schreibt der Papst mit Blick auf die Lage im Gazastreifen. "Tausende von unschuldigen Toten, auch hier häufig Frauen und Kinder. Hunderttausende Vertriebene, deren Häuser zerstört wurden. Menschen, die nur einen Schritt vom Hungertod entfernt sind."