Vorboten der von Donald Trump angekündigten Massenabschiebungen schon seit Wahlen im November - Administratorin der Migranten-Aufnahmezentren des Salesianerordens, Portela: "Wir dürfen die Menschen nicht alleine lassen"
Mexiko-Stadt, 18.01.2025 (KAP) Angesichts drohender massiver Deportationen aus den USA unter Donald Trump bereitet sich die mexikanische Grenzstadt Tijuana auf eine humanitäre Zuspitzung vor. Die Lage sei ernst, hat die Administratorin des Proyecto Salesiano, Claudia Portela, am Samstag im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress geschildert: "Die Drohungen sind real. Schon seit Trump im November gewählt wurde, haben die Deportationen aus den USA zugenommen. Hier in Tijuana stellen wir uns auf ähnliche drastische Maßnahmen ein wie in seiner ersten Amtszeit oder sogar noch auf eine Verschärfung", so die Sozialexpertin.
Die am Pazifik gelegene Stadt Tijuana, deren Grenzübergang zum kalifornischen San Diego der meistüberquerte der Welt ist, hat wenige Tage vor der für Montag anstehenden Amtsübernahme Trumps den Notstand ausgerufen, um auf die drohende Krise vorbereitet zu sein. "Die Stadt plant Notfallprotokolle, etwa die Nutzung von Sporteinrichtungen als Unterkünfte, falls die regulären Kapazitäten überschritten werden. Doch wir wissen aus Erfahrung, dass die Infrastruktur schnell überfordert sein könnte", warnte Portela. Ein Problem sei dabei auch die mangelnde Einbindung der Zivilgesellschaft in die Planungen. "Die Regierung hat Organisationen wie uns nicht konsultiert, obwohl wir an vorderster Front stehen. Das erschwert die Koordination und den effizienten Einsatz der Ressourcen."
Portela erinnerte an frühere Krisen wie die Einführung des "Remain in Mexico"-Programms im Jahr 2017 oder "Title 42" während der COVID-19-Pandemie. "Title 42 führte zu sofortigen Ausweisungen ohne Asylverfahren. Migranten, die es über die Grenze schafften, wurden festgenommen und direkt zurückgeschickt. Diese Zeiten haben viel Stress und Angst verursacht, und wir rechnen damit, dass ähnliche Praktiken wieder eingeführt werden könnten." Schon damals seien Menschen in großer Zahl über die Südgrenze der USA nach Tijuana abgeschoben worden, meist nachts und oft ohne Vorwarnung, wobei die Stadt an ihre Belastungsgrenzen gekommen sei.
Traumatisches Erlebnis
Für die Deportierten ist die Rückkehr nach Mexiko oft ein traumatisches Erlebnis. "Viele wissen nicht, wohin sie gehen sollen. Sie landen oft mitten in der Nacht in Tijuana, ohne Orientierung, ohne Kontakte und mit großer Unsicherheit", erklärte die Administratorin. Besonders problematisch sei die Situation für Familien mit Kindern, die Trumps Ankündigungen zufolge in Zukunft vermehrt betroffen sein könnten. "Die emotionale Belastung ist enorm. Sie fühlen sich verlassen, wissen nicht, wie sie ihre Zukunft gestalten sollen, und stehen vor einer völlig unbekannten Umgebung."
Die Auswirkungen dieser Politik sieht man tagtäglich auch in den Einrichtungen des Salesianerordens. Die hier Gestrandeten - neben Deportierten auch Migranten, die Tijuana aus dem Süden erreichen und auf einen Grenzübertritt in die USA hoffen - kommen aus einer Vielzahl von Ländern, unter ihnen außer Mexikanern aktuell auch aus Venezuela, Kolumbien, Haiti, Honduras, El Salvador und vereinzelt sogar aus Russland, Nigeria und Afghanistan. Portela: "Wir empfangen derzeit zwischen einer und 15 deportierten Personen pro Tag, aber wir wissen, dass diese Zahlen bei einer groß angelegten Deportationswelle exponentiell steigen könnten."
Zuflucht und Perspektiven
Das Salesianerprojekt bietet einfache Herbergen für rund 100 Migranten, darunter den Desayunador Padre Chava für Männer und das Refugio Don Bosco für Frauen und Kinder. In früheren Krisenzeiten wie etwa zur Massenflucht der Haitianer 2016 habe man auf bis zu 700 Plätze aufgestockt. "Unser Ziel ist es, diesen Menschen eine erste Zuflucht zu bieten, damit sie nicht auf der Straße landen. Wir dürfen sie nicht alleine lassen", erklärte Portela.
Kostenlos zur Verfügung gestellt werden von den Salesianern weiters auch Nahrung, Kleidung, medizinische und psychologische Betreuung sowie Rechtsberatung, in Zusammenarbeit mit etlichen anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen oder Einrichtungen der Vereinten Nationen wie der Internationalen Organisation für Migration (IOM). Menschen würden dabei stabilisiert, um wieder Hoffnung und Perspektiven zu entwickeln, erklärte die Expertin. Zusätzlich gibt es Programme zur Integration und Bildung wie Schulen, Alphabetisierung und Workshops, die auf den Arbeitsmarkt vorbereiten und Jobs vermitteln, gemeinsam mit der lokalen Arbeitsbehörde und Industrie.
Globale Lösungen nötig
Freilich sehe und behandle man am Migrations-Hotspot Tijuana nur die Auswirkungen der Migrationskrise, während eine Lösung an deren tiefen globalen Ursachen ansetzen müsse, unterstrich Portela, denn: "Armut, Klimawandel, politische Instabilität und wirtschaftliche Ungleichheit treiben immer mehr Menschen in die Flucht. Oft sind es nicht freiwillige Entscheidungen, sondern Menschen werden gezwungen, ihre Heimat zu verlassen."
Die Administratorin des Salesianerprojekts kritisierte hier die fehlende internationale Zusammenarbeit. "Es gibt kaum Dialog zwischen den Nationen. Statt Lösungen zu suchen, setzen Regierungen auf Abschottung und Repression. Migration wird kriminalisiert, obwohl sie ein grundlegendes Menschenrecht ist." Portela rief zudem auch die Gesellschaft zu Solidarität auf. "Jeder kann helfen - sei es durch Spenden, Freiwilligenarbeit oder einfach durch Mitgefühl für die, die alles verloren haben."
Übersehen werde in der Debatte weiters auch das ernste Problem des Menschenhandels, das eng mit den Migrationsbewegungen verbunden ist. Häufig gerieten Migranten auf ihren Wegen durch Mexiko in die Hände schwer bewaffneter krimineller Gruppen, die die Unsicherheit der Migranten ausnutzen und von ihnen nicht nur Abgaben einfordern, sondern sie vielfach auch entführen, um ihre Familien zu erpressen, mit den Organen zu handeln und die Opfer oft spurlos verschwinden zu lassen. Diese Dynamik gefährde das Leben der Migranten und die Sicherheit entlang der Migrationsrouten, so Portela, die mehr globalen Dialog auch zur systematischen Bekämpfung dieser Kriminalität einforderte.