New Yorker Kardinal betet bei Amtseinführung für US-Präsidenten
19.01.202513:39
USA/Regierung/Kirche/Politik/Dolan/Trump
Wie hält es Timothy Dolan mit Donald Trump, was verbindet ihn mit dem zweifachen Präsidenten, und wo gibt es Reibungspunkte? Hintergrundbericht von Johannes Senk
Bonn, 19.01.2025 (KAP/KNA) Die Farbe Rot hat in der US-Politik eine vollkommen andere Bedeutung als bei uns. Steht Rot in Europa auch als Synonym für den Sozialismus, ist sie in den USA die (inoffizielle) Farbe der Republikaner - also der rechts-konservativen Partei, die spätestens seit der ersten Amtszeit ihres Präsidenten Donald Trump immer weiter in extremen Populismus abrutscht. Weithin sichtbar sind Trump-Anhänger bei Veranstaltungen so auch durch ihre scharlachroten MAGA-Kappen.
In der katholischen Kirche ist Rot die Farbe der Kardinäle, der höchsten Würdenträger hinter dem Papst. Zwischen diesen Farbgebungen gibt es freilich keinen Zusammenhang. Dennoch entsteht ein bemerkenswerter Nebeneffekt, wenn der New Yorker Kardinal Timothy Dolan in seiner Amtstracht samt scharlachrotem Scheitelkäppchen neben dem designierten US-Präsidenten steht, wie zuletzt im Oktober beim jährlichen Dinner der Alfred E. Smith Memorial Foundation des Erzbistums New York.
"Böses Omen" für Harris?
Kamala Harris nahm an dem prestigereichen Bankett übrigens nicht teil - was den Kardinal zu einer im Nachhinein fast sibyllinischen Spitze gegen die Kandidatin der Demokraten bewog. Denn das Dinner gehört zu einem festen Wahlkampftermin, den normalerweise kein Kandidat auslassen kann. Zuletzt tat dies der Demokrat Walter Mondale 1984 - der bei den Wahlen dann krachend an Amtsinhaber Ronald Reagan scheiterte. Daran erinnerte auch Dolan nach dem Dinner und fügte hinzu: "Ich will nicht sagen, dass es da einen direkten Zusammenhang gibt." Doch wirkt das "böse Omen" Dolans in der Retrospektive noch nach.
Umso mehr sticht das Bild von Dolan und Trump hervor. Dieses Zusammenspiel zwischen beiden wird sich nun wiederholen, denn der Kardinal wird bei der Amtseinführung des Präsidenten am Montag in Washington ein Gebet sprechen - wie schon vor acht Jahren. "Der Präsident war so freundlich, mich um das Eröffnungsgebet zu bitten", so Dolan.
Es erschiene nicht abwegig, den Kardinal als Unterstützer Trumps zu sehen; alleine schon, da der sich bei der Wahl besonders einer mehrheitlichen Unterstützung der Katholiken erfreuen konnte. Und auch in der US-Bischofskonferenz sind die konservativen bis traditionalistischen Vertreter seit jeher stark vertreten.
Trump-Kritiker und Trump-Schmeichler
Doch ganz so einfach liegt die Sache bei Dolan nicht. Tatsächlich kritisierte er schon im Vorfeld der ersten Inaugurationszeremonie Trumps im Jänner 2017 sowie auch jüngst wieder die Pläne der Republikaner zur Einwanderungspolitik. Den Bau einer Grenzmauer zu Mexiko sowie geplante Massenabschiebungen verurteilte er öffentlich. Und wenn es etwas gibt, was der notorische Narzisst Trump nicht ausstehen kann, dann ist es Kritik.
Dass er nun doch wieder auf den Erzbischof seiner Heimatstadt New York zurückgreift, könnte daran liegen, dass Dolan es versteht, beim künftigen Präsidenten Zuckerbrot und Peitsche zu vereinen. Was er an Kritik in der Einwanderungsfrage übte, machte er durch überschwängliches Lob an anderer Stelle wett.
Nach einem Treffen mit Kirchenführern 2020 stützte Dolan Trumps Aussage, dass er "der beste Präsident" für die katholische Kirche sei - und Ehrerbietungen schätzt Trump über alle Maßen. Gleichzeitig brüstete sich der Kardinal damals auch damit, häufiger mit dem Präsidenten zu telefonieren als mit seiner eigenen Mutter; scherzhaft, sicher - und doch wohlkalkuliert.
Zwischen Franziskus und Trump
Zwischen Papst und Präsident - die sicher auch in den kommenden vier Jahren von Trumps zweiter Amtszeit nicht immer auf einer Wellenlänge liegen werden - weiß sich Dolan geschickt zu positionieren. Das zeigen zwei immer wieder heiß diskutierte Themen. Zum einen die Abtreibungsdebatte. Dolan ist strikter Gegner jeder Liberalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Das teilt er mit den US-Konservativen.
Etwas anders sieht es beim Thema Homosexualität und LGBTQ-Recht aus. Bei der Diskussion um die Ehe für alle löste Dolan 2009 noch eine Kontroverse aus, als er Homosexualität zwar von Gott gegeben ansah, ihr offenes Ausleben aber verurteilte. In einer gemeinsamen Note mit seinem Amtsbruder aus Chicago, Kardinal Blaise Cupich, hieß er 2022 noch transgeschlechtliche Menschen in katholischen Krankenhäusern des Landes willkommen - betonte aber gleichzeitig, dass dort niemals Geschlechtsumwandlungen durchgeführt würden.
Die Position entspricht zwar nicht einer Dämonisierung, wie sie die Trump unterstützende extreme Rechte in den USA betreibt. Sie kommt aber ebenfalls nicht an Offenheit heran, wie sie die päpstliche Erklärung "Fiducia supplicans" von 2023 signalisierte.
Sein letzter Auftritt?
Interessant wird mit Blick auf die Amtseinführung auch noch die Frage, ob es der letzte große Auftritt Dolans in seinem Amt sein wird. Am 6. Februar erreicht der 1950 in St. Louis geborene Geistliche die Altersgrenze für Bischöfe von 75 Jahren. Dann muss er dem Papst seinen Rückzug vom Amt, das er seit 2009 innehat, zumindest anbieten. Ob Dolan also weiter mit Trump telefonieren wird, liegt zu einem Gutteil auch in den Händen von Franziskus.
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