Wiener Dogmatiker Tück in "Presse"-Gastbeitrag: "Durch seine feinsinnige, spirituell geerdete, auf die Fragen der Zeit eingehende Übersetzungskunst hat der Wiener Kardinal dem Evangelium in Österreich Stimme und Gesicht gegeben"
Wien, 22.01.2025 (KAP) Als einen "Meister der horizontalen Kommunikation" in der Kirche und darüber hinaus hat der Wiener Theologe Jan-Heiner Tück Kardinal Christoph Schönborn aus Anlass seines 80. Geburtstages (22. Jänner) gewürdigt. "Gottes Menschenfreundlichkeit" habe in Schönborn "einen feinsinnigen, spirituell geerdeten Vermittler gefunden", schrieb Tück in einem Gastbeitrag in der "Presse" (22. Jänner): "Bulldoggen der Orthodoxie will keiner kläffen hören, auch die Anpassungsflinkheit von Chamäleons hilft nicht. Durch seine feinsinnige, spirituell geerdete, auf die Fragen der Zeit eingehende Übersetzungskunst hat der Wiener Kardinal dem Evangelium in Österreich Stimme und Gesicht gegeben."
Ausgehend von der dominikanischen Prägung des Ordensmannes Schönborn zeigte Tück in einem kursorischen Durchgang durch zentrale Stationen der Biografie des 80-Jährigen auf, wie Schönborn durch seine "Kommunikationskunst" zu einer allseits geschätzten Stimme im Weltepiskopat wurde - eine Wertschätzung, die "außer Joseph Ratzinger wohl kein Kardinal im deutschen Sprachraum erlangt" habe, so Tück. So erinnerte der Theologe daran, dass Schönborn bereits zwischen 1987 und 1992 als zuständiger Redaktionssekretär maßgeblich an der Erstellung des Katechismus für die katholische Kirche mitgewirkt hatte und im Zuge dessen auf vielen Reisen ein großes Netzwerk an Kontakten knüpfen konnte. - Ein Netzwerk, das ihm bis in die synodalen Beratungen der Gegenwart wichtige Dienste leistete.
Außerdem habe sich Schönborn - nach anfänglichem Lavieren und einer Selbstkorrektur in der "Causa Groer" - zu einem "Pionier in der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs" entwickelt, erinnerte Tück etwa an Einrichtung der Unabhängigen Opferschutzkommission unter Waltraud Klasnic 2010. Theologisches und kommunikatives Fingerspitzengefühl habe der Kardinal außerdem bewiesen, als im Zuge der Familiensynode 2015 über die Möglichkeit des Kommunionempfangs für wiederverheiratet Geschiedene gestritten wurde. Durch seine Erinnerung an das Prinzip der Gradualität und die Notwendigkeit eines "differenzierten Blicks der Barmherzigkeit" sei schließlich ein Durchbruch gelungen.
Klare Position habe Schönborn auch bei der Frage des Zueinanders von Bischöfen und synodalen Gremien bezogen, verwies Tück einmal mehr auf die Kritik Schönborns am deutschen "Synodalen Weg". Die Intervention gegen eine aus Sicht Schönborns unzulässige Form der Selbstbindung der Bischöfe an Mehrheitsvoten habe laut Tück dazu beigetragen, "dass die Bischofssynode 2024 einen Mittelweg skizziert hat: Die Autorität der Bischöfe ist 'unantastbar', aber ihre Entscheidungen sind an Transparenz und Rechenschaftspflicht zu binden."
Tück: "Weil Schönborn täglich in der vertikalen Kommunikation Gottesfreundschaft gesucht hat, ist er zu einem Meister der horizontalen Kommunikation geworden - in Kirche und Ökumene, im interreligiösen Dialog, aber auch in Politik und Gesellschaft. Wer die Ruhe, mit der der Kardinal auch in unruhigen Zeiten in der Andreaskapelle des Erzbischöflichen Palais Gottesdienst feiert, miterlebt hat, weiß, wo seine verborgenen Kraftquellen liegen."
Wiener Erzbischof bei Dankfeier im Stephansdom: "Mitgefühl ist das, was erst eine Gesellschaft menschlich macht. Unbarmherzigkeit vergiftet die Gesellschaft und uns selbst" - Dankbarkeit für gutes Miteinander der Religionen - "Mein größter Wunsch: Das gegenseitige Wohlwollen soll nie verloren gehen, auch wenn wir Konflikte haben."
Bundeskanzler würdigt im Anschluss an Schönborn-Dankgottesdienst Verdienste des scheidenden Wiener Erzbischofs - Erzbischof Lackner von Gottesdienst tief bewegt
Wortlaut der Ansprache von Bundespräsident Alexander Van der Bellen beim Dankgottesdienst für Kardinal Christoph Schönborn am 18. Jänner im Stephansdom
Bundespräsident über Kardinal und Wiener Erzbischof: "Wann immer nötig, standen Sie auf Seite der Schwachen, der Ausgegrenzten, der Benachteiligten. Nicht immer zur Freude der politisch Mächtigen"