Wiener Universitätsprofessor für Christliche Philosophie, Hans Schelkshorn, kritisiert in ksoe-Blog Selbstinszenierung neorechten Bewegungen und Parteien als "Verteidiger des christlichen Abendlandes"
Wien, 22.01.2025 (KAP) Der Wiener Philosoph und Theologe Hans Schelkshorn hat die christlichen Kirchen in Europa zu einer klaren Abgrenzung von neorechten Bewegungen und Parteien aufgerufen. In einem Blogbeitrag für die Katholische Sozialakademie Österreichs (ksoe, 22. Jänner) warnte der Universitätsprofessor für Christliche Philosophie vor einer Aushöhlung der Demokratie und kritisiert die ideologischen Grundsätze dieser Bewegungen. "Eine Komplizenschaft mit neorechten Ideologien" würde die Glaubwürdigkeit der Kirchen nachhaltig beschädigen, so Schelkshorn, der auch auf "das schwere Erbe" der Kirche aufgrund ihrer Allianzen mit faschistischen Systemen des 20. Jahrhunderts verwies.
Als besonders problematisch erachtete Schelkshorn die politische Instrumentalisierung christlicher Werte: "In jüngerer Zeit haben sich manche neorechte Parteien, unter anderem auch die FPÖ, plötzlich dem Christentum zugewendet. Im Kampf gegen den Islam versteht sich die Neue Rechte neuerdings als Verteidigerin des christlichen Abendlandes."
Neorechte würden sich damit nicht nur zu Verteidigern stilisieren, sondern gleichzeitig die universalistischen Grundsätze der christlichen Moral verraten, so der Wiener Theologe. Papst Franziskus sei ein prominenter Gegenspieler dieser Entwicklung und erinnere mit seinen Appellen zur Flüchtlingshilfe und sozialen Gerechtigkeit an die menschenrechtlichen Grundlagen des Christentums.
Die Gefahr neorechter Ideologien bestehe zudem darin, dass eine ethnische Deutung von Begriffen wie "Nation" oder "Volk" über die Menschenrechte gestellt werde. Neorechte Parteien stellten damit die Universalität der Menschenrechte infrage, mahnte Schelkshorn in seinem ksoe-Blogbeitrag.
Gefahr für demokratische Werte
Die neorechten Parteien Europas - darunter die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), die AfD in Deutschland und Fidesz in Ungarn - stellen laut Schelkshorn nicht nur die Prinzipien der liberalen Demokratie infrage, sondern auch das Friedensprojekt der Europäischen Union. Diese Entwicklungen seien eine Reaktion auf ein moralisches Vakuum, das der Neoliberalismus der vergangenen Jahrzehnte hinterlassen habe. "So wie der Faschismus eine Reaktion auf den entfesselten Liberalismus war, ist die neorechte Ideologie eine Antwort auf den Neoliberalismus", so der Philosoph.
Schelkshorn beschrieb die Ideologie der Neuen Rechten jedoch als subtiler und flexibler als die des klassischen Faschismus. Während faschistische Bewegungen offen antidemokratisch und rassistisch waren, verzichteten neorechte Parteien auf eine gewaltsame Machtübernahme und setzten stattdessen auf demokratische Wahlen. Zudem ersetzten sie den klassischen Rassismus durch einen sogenannten "Ethnopluralismus". Dieses Konzept betone die Bewahrung der ethnischen Zusammensetzung einzelner Nationen und lehne die Universalität der Menschenrechte ab, erklärte der Theologe.
Begriffe wie das "Recht auf Heimat", wie es zeitweise im Programm der FPÖ stand, könnten jedoch langfristig autoritären Tendenzen Vorschub leisten, so Schelkshorn weiter. Diese Ideologie manifestiere sich auch in der Politik des ungarischen Premierministers Viktor Orban, der mit der Errichtung eines "illiberalen Staates" ein Vorbild für neorechte Bewegungen geschaffen habe.
In einer pluralistischen Demokratie seien Begriffe wie "Heimat" oder "nationale Identität" noch Gegenstand öffentlicher Debatten. Schelkshorn warnte jedoch, dass sich hinter diesen Begriffen "ein äußerst gefährlicher Sprengsatz, der langfristig rechtsstaatliche Demokratien aushöhlt bzw. in autoritäre Systeme verwandelt" verstecken könnte. "Die Pointe neorechter Ideologien besteht darin, dass sie die Spannung zwischen universalistischen Menschenrechten und partikularen Ideen nationaler Identität einseitig zugunsten der Nation auflösen", schreibt der Präsident des "Katholischen Akademiker:innenverbands Österreichs" (KAVÖ).
Ebendarum versuchten neorechte Parteien im Namen einer völkischen Ideologie die Medien zu kontrollieren und die Gewaltenteilung zu schwächen. Letzteres betreffe vor allem das Verfassungsgericht, die Schelkshorn als "äußerst wichtige Schutzinstitution rechtsstaatlicher Demokratie" bezeichnete.