Neue Erkenntnisse zu Steuerbetrug und Urkundenfälschung im Nahen Osten
Wien, 29.01.2025 (KAP) Neue Einblicke in das römische Justizwesen und Finanzverbrechen in den Provinzen Iudaea und Arabia gibt ein Papyrus aus dem 2. Jahrhundert nach Christus, der von einem internationalen Forscherteam unter österreichischer Mitwirkung analysiert worden ist. Die Ergebnisse der Untersuchung des bislang unbekannten Dokuments wurden in der Fachzeitschrift Tyche veröffentlicht, berichtet die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) am Mittwoch.
Der Fund stammt aus der Judäischen Wüste nahe dem Toten Meer. Bereits vor Jahrzehnten wurden dort antike Urkunden entdeckt, die während des Bar-Kochba-Aufstandes (132-136 n. Chr.) von Flüchtlingen versteckt worden waren. Das nun entschlüsselte Schriftstück enthält offenbar Konzeptpapiere zu einem Strafprozess, in dem es um Steuerhinterziehung und Urkundenfälschung im Zusammenhang mit dem Handel und der Freilassung von Sklaven ging.
"Diese Urkunde bietet seltene Einblicke in die Arbeitsweise der römischen Gerichte in einer Randregion des Reiches", erklärt in der Mitteilung Anna Dolganov vom Österreichischen Archäologischen Institut der ÖAW. "Sie zeigt, wie die römische Verwaltung mit Finanzvergehen umging und welche Mechanismen zur Kontrolle genutzt wurden."
Hauptangeklagte in dem Prozess waren dem Dokument zufolge zwei Männer, Gadalias und Saulos. Sie sollen Sklaven durch fingierte Verkäufe an Komplizen weitergegeben und später ohne die fälligen Abgaben freigelassen haben. Als der Betrug aufflog, sollen sie versucht haben, durch gefälschte Dokumente die wahre Natur ihrer Geschäfte zu verschleiern.
"Die römischen Behörden nahmen Steuervergehen sehr ernst", betont der Historiker Fritz Mitthof von der Universität Wien. "Die Angeklagten standen möglicherweise vor harten Strafen, bis hin zur Zwangsarbeit oder sogar der Todesstrafe."
Besonders brisant sei der Fall, weil er sich in einer politisch instabilen Zeit ereignete. "Die Ankläger warfen den Beschuldigten nicht nur Finanzdelikte vor, sondern deuteten eine mögliche Verbindung zu aufständischen Gruppen an", erläutert Dolganov. Dies zeige, wie eng wirtschaftliche und politische Faktoren in der römischen Provinzverwaltung verknüpft waren.
Laut den Forschern bietet das Dokument neue Erkenntnisse über die Umsetzung römischen Rechts außerhalb Italiens. Während viele vergleichbare Texte aus Ägypten stammen, belegt dieser Fund, dass juristische Strukturen auch in anderen Teilen des Reiches einheitlich organisiert waren. "Die römische Bürokratie war in der Lage, auch in abgelegenen Regionen Kontrolle auszuüben", so Mitthof. "Die Ankläger verwendeten römische Rechtsbegriffe auf Griechisch, was zeigt, dass das Rechtssystem gut integriert war."
Ob das Verfahren abgeschlossen wurde, bleibt unklar. Die Forscher vermuten, dass die Verhandlungen durch den Bar-Kochba-Aufstand unterbrochen wurden. (Link zur Publikation: https://tyche.univie.ac.at/index.php/tyche)