Grazer Neutestamentler Heil empfiehlt, sich zu Weihnachten bewusst zu machen, "dass man als Christ in einer Tradition steht, die weit über das 'Allein-Christliche' hinausgeht und die von jüdischen Wurzeln zehrt"
Graz, 16.12.2025 (KAP) Weihnachten unterscheidet Christentum und Judentum, aber es bietet auch eine Brücke der Verständigung: Auf diesen gerade zu Weihnachten häufig unterbelichteten und zugleich in einer Zeit grassierender Antisemitismen wichtigen Aspekt der biblischen Botschaft hat der Grazer Neutestamentler Prof. Christoph Heil hingewiesen. Die Evangelien seien "in einer jüdisch geprägten Glaubenssprache verfasst" worden und operierten zumindest im Blick auf die beiden synoptischen Evangelien, in denen die Geburt Jesu berichtet wird (Matthäus und Lukas) mit Metaphern und alttestamentlichen Verweisen, die von Juden damals verstanden wurden. "Insofern verbindet dieses heute so zentrale christliche Fest Judentum und Christentum mehr als es sie trennt", so Heil im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Kathpress (Dienstag).
Konkrete alttestamentliche Vorlagen gebe es etwa für die Rede vom König der Juden, vom Messias, selbst Betlehem als Geburtsort des Messias, die Rede von Engeln, die ihm zur Seite stehen und den "Weisen aus dem Morgenland" bzw. Sterndeutern könnten sich auf Vorbilder aus der Tradition berufen. Eine Ausnahme stelle indes die Betonung der jungfräulichen Geburt Jesu dar, so Heil. Diese Vorstellung gebe es in der jüdischen Welt so nicht - sie entstamme der Gedankenwelt des Hellenismus und auch der römischen Welt. Zugleich könne man an diesem Beispiel erkennen, dass sich schon früh theologische Motive auch aus anderen philosophischen Traditionen "in die biblische Tradition hineingeschrieben" haben. "Die Geschichte des Christentums ist geprägt von 'gleichzeitiger Ungleichzeitigkeit' verschiedenster Traditionen und Denkströmungen", so Heil. Durch die Expansion in andere Kulturkreise und die dortige Inkulturation hätten auch philosophische Konzepte Eingang in die Überlieferung gefunden.
In der neutestamentlichen Forschung stelle gerade diese Frage der Abgrenzung und teilweisen gleichzeitigen Überlappung von jüdischen und christlichen Traditionen ("Parting of the ways") einen interessanten und wieder vermehrt in den Blick kommenden Forschungsgegenstand dar, führte der Grazer Neutestamentler weiter aus. Die Aktualität dieser Form exegetischer Forschung könne man gerade zu Weihnachten auch ganz praktisch aufzeigen und ausprobieren: So riet Heil dazu, durch eine bewusste Lektüre der biblischen Weihnachtserzählungen und des dazu kontrastierenden Prologs des Johannesevangeliums nicht nur den unterschiedlichen Akzenten dieser Erzählungen nachzuspüren, sondern "sich bewusst zu machen, dass man als Christ in einer Tradition steht, die weit über das 'Allein-Christliche' hinausgeht und die von jüdischen Wurzeln zehrt".
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