Patriarch Pizzaballa warnt in Bethlehem vor Realitätsflucht
25.12.202507:30
Palästina/Israel/Weihnachten/Kirche/Politik
Kardinal bei Christmette in Katharinenkirche: Viele Gemeinsamkeiten zwischen heute und Geburt Jesu - Alltag im Heiligen Land weiter von "Entscheidungen der Mächtigen" geprägt
Bethlehem, 25.12.2025 (KAP/KNA) Zwischen dem Bethlehem zur Zeit der Geburt Jesu und dem heutigen Bethlehem gibt es nach Worten des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, viele Gemeinsamkeiten. "Wie damals ist auch heute die Geschichte geprägt von Dekreten, politischen Entscheidungen und Machtverhältnissen, die oft das Schicksal der Völker zu bestimmen scheinen", predigte der ranghöchste Katholik im Heiligen Land in der Mitternachtsmesse in der Katharinenkirche in Bethlehem. Das Heilige Land sei Zeuge dafür, wie Entscheidungen der Mächtigen konkrete Auswirkungen auf das Leben von Millionen von Menschen hätten.
Mit dieser Erkenntnis hört Weihnachten für den italienischen Ordensmann jedoch nicht auf. An Weihnachten habe Gott die Welt nicht aufgegeben, sondern bis zum Äußersten geliebt, indem er in die "Nacht der Menschheit" eingetreten sei. "Seit diesem Moment ist die Geschichte es immer wert, gelebt zu werden, denn in ihr wurde ein unbesiegbarer Same des Friedens gesät."
Damit werde Weihnachten zu einer "Schule der Verantwortung", der Realität nicht zu entfliehen, sondern durch Gesten, Worte und Entscheidungen den Frieden zu fördern. Weihnachten in Bethlehem zu feiern, bedeute anzuerkennen, dass Gott ein reales Land gewählt habe, das von Wunden und Erwartungen geprägt sei. "Die Heiligkeit der Orte koexistiert mit noch offenen Wunden", so Pizzaballa. Schwere Jahre des Krieges, der Gewalt und der Zerstörung machten den Neuanfang und Wiederaufbau mühsam. Dennoch müssten "mit Nachdruck" Gerechtigkeit und Versöhnung gefordert werden, damit Frieden nicht nur ein Traum bleibe.
Weihnachten "so normal wie möglich"
Im Vorfeld der Mitternachtsmesse fand in Bethlehem nach zwei Jahren eingeschränkter Feiern erstmals wieder ein öffentlicher Einzug des Lateinischen Patriarchen statt. Kardinal Pizzaballa hatte im Vorfeld dazu aufgerufen, "so normal wie möglich" Weihnachten zu feiern. In den Gassen der Altstadt versammelten sich tausende Menschen, um ihn auf seinem Weg zum Krippenplatz zu begleiten. An dem Einzug beteiligten sich rund 4.000 Pfadfinderinnen und Pfadfinder aus 23 Gruppen. Nach zwei Jahren stiller Prozessionen war wieder der traditionelle musikalische Begleitsound aus Trommeln, Dudelsack und Blasinstrumenten zu hören. Die bunten Uniformen und die Musik gehören in Bethlehem traditionell zum Weihnachtsfest.
Am Rande des Einzugs sprach Pizzaballa von einem "neuen Leben für Bethlehem und das gesamte Heilige Land". Zugleich betonte er, dass es wichtig sei, nach vorne zu schauen und sich nicht ausschließlich auf die bestehenden Probleme zu konzentrieren. Weihnachten könne eine Pause von all dem Leid ermöglichen, auch wenn das kommende Jahr erneut herausfordernd sein werde. Auf dem Krippenplatz rief der Patriarch den Versammelten zu: "Nach zwei Jahren Dunkelheit brauchen wir Licht", und forderte sie auf, gemeinsam zu beschließen, selbst dieses Licht zu sein.
Auch der Bürgermeister von Bethlehem, Maher Canawati, sprach in seiner Weihnachtsbotschaft davon, dass die Rückkehr der Weihnachtsstimmung ein Zeichen sei, dass Bethlehem eine Wiege des Friedens bleibe. Die politische Situation wirkte dennoch bis in die Weihnachtsfeiern hinein. Berichten zufolge wurde der palästinensische Vizepräsident Hussein al-Scheich zunächst an der Teilnahme an der Mitternachtsmesse gehindert und konnte erst nach internationalem Eingreifen nach Bethlehem kommen.