Am 2. März öffnet der Vatikan seine Archive zum Pacelli-Pontifikat - Sechs Fragen und Antworten zu der Forschungsarbeit über Papst und katholische Kirche in den Jahren des Zweiten Weltkriegs und danach
Vatikanstadt, 20.02.2020 (KAP) Am 2. März öffnet der Vatikan seine Archive zum Pontifikat von Papst Pius XII. (1939-1958). Zu dessen Rolle im Zweiten Weltkrieg und angesichts des Holocausts erwartet nicht nur die Forschung neue Erkenntnisse. Wie und wo können die Wissenschaftler im Vatikan arbeiten und was erwartet sie sonst?
Welche Archive geben ihr Material zu Pius XII. frei?
Das größte und bekannteste ist das Vatikanische Apostolische Archiv, wie das frühere "Vatikanische Geheimarchiv" jetzt heißt. Hinzu kommen die Archive der Glaubenskongregation, früher "Heiliges Offizium", zwei Archive des Staatssekretariats, der Missionskongregation, der Ostkirchenkongregation, der Pönitentiarie und der Dombauhütte von St. Peter.
Wie viel Material erwartet die Forscher?
Der Kirchenhistoriker und Pius-Experte Peter Gumpel nennt die Zahl von 16 Millionen Seiten Material aus dem Pontifikat Pius XII. (2. März 1939 bis 9. Oktober 1958). Archivleiter Sergio Pagano spricht von rund 200.000 archivarischen Einheiten im größten, dem früheren Geheimarchiv. Solche Einheiten können entweder aus einem Karton mit bis zu 1.000 Seiten bestehen oder aus einer Mappe mit wenigen Notizzetteln.
Wo können die Forscher arbeiten?
Im Arbeitssaal des Apostolischen Archivs gibt es pro Tag maximal 60 Arbeitsplätze, von denen etwa 30 für das neu zugängliche Archivmaterial bereitstehen. Dorthin können Forscher pro Tag bis zu fünf Kisten Material bestellen. Zuvor müssen sie sich online registrieren und eine Arbeitsmöglichkeit beantragen. Jede Arbeitserlaubnis gilt für maximal drei Monate; danach kann man einen neuen Antrag stellen. Ähnliches gilt für die anderen vatikanischen Archive.
Welche Historiker erhalten als erste Zugang?
Medienberichten zufolge, die sich auf Archivleiter Pagano berufen, sind zehn Forscher aus den USA dabei, darunter zwei vom Holocaust Memorial Museum in Washington, sieben aus Israel, 14 aus Deutschland, 16 aus Italien, 20 aus Osteuropa sowie weitere aus Frankreich, Spanien, Lateinamerika. Deren Zulassung gilt erst einmal bis zur Sommerpause Anfang Juli.
Zu welchen Themen werden Erkenntnisse erwartet?
Es geht um den Zweiten Weltkrieg, den Holocaust, die deutsche Besatzung Italiens, Atombombenabwürfe in Japan, Gründung von Nato und Warschauer Pakt, den Kalten Krieg, das Ende der Kolonialzeit in Asien und Afrika, Indochinakrieg, die beginnende europäische Einigung, theologische Entscheidungen wie das Dogma der Aufnahme Marias in den Himmel 1950 oder die Zulassung der historisch-kritischen Exegese für die katholische Theologie 1943.
Wann sind erste verlässliche Erkenntnisse zu erwarten?
Dies dauert wohl unterschiedlich lange und hängt vom Thema ab, vom Umfang des Archivmaterials sowie davon, ob vatikanische Quellen in anderen Archiven - etwa anderer Staaten - überprüft werden müssen. Nach Aussage von Historiker Hubert Wolf benötigt man für seriöse Befunde - mit Ausnahme seltener Einzelereignisse - mindestens drei bis fünf Jahre, um "das recht grob katalogisierte Material zu sichten und zu bewerten".
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